Ich war frisch mit dem Abi durch, hatte nur wenig Geld für einen Urlaub zur Verfügung  aber direkt vor meiner Haustür verlief der E1. Der E1 ist ein europäischer Fernwanderweg und mit über 8.000 Kilometern Länge der längste von allen. Er verläuft vom Nordkap in Norwegen bis ganz runter nach Sizilien. Eine bessere Gelegenheit, ohne großen Anfahrtsweg loszulaufen, dem Alltag zu entfliehen und mehr von der eigenen Region kennenzulernen, hätte es kaum geben können.

Also dachte ich: Warum nicht einfach losziehen? Ein paar Tage raus, Kopf frei bekommen, meine Heimatregion mal zu Fuß erkunden. Im Gepäck ein 60-Liter Rucksack voll mit allem was man brauchen könnte und jede Menge Naivität.


Der überladene Rucksack und das erste „Oh Shit“

Zuhause testet man den Rucksack ja nur mal kurz: „Puh, schwer… aber wird schon.“ Dass ich am Ende mit Wasser und Essen gute 18 Kilo auf dem Rücken hatte, hab ich erst gemerkt, als ich das Ding kaum noch hochbekam. Die meisten Gegenstände in meinem Gepäck waren günstige Amazon-Produkte, gekauft mit schmalem Budget und wenig Ahnung. Es passte nicht mal alles in den Rucksack, also noch schnell einen wasserdichten Packsack außen dran gebunden – ich sah aus wie ein wandelnder Müllcontainer. Wenn man vor lauter Rucksack die Person dahinter nicht mehr sieht, hat man eventuell zu viel eingepackt.

Der erste Tag war die Hölle. Rücken- und Schulterschmerzen, Blasen ab Kilometer 10 (die Schuhe waren natürlich nie eingelaufen worden), und der Hüftgurt fühlte sich an wie ein Gürtel aus Schleifpapier. Ich wusste nicht, welchen Riemen ich fester oder lockerer ziehen sollte – also ließ ich’s einfach.

Bepackt wie ein Esel bis zum ersten Wendepunkt.


Der Wendepunkt – und ein Paket an meine Eltern

Nach drei Tagen war klar: So geht das nicht weiter. Ich schleppte Kram mit mir rum, den ich noch nie benutzt hatte. Also: Im nächsten Ort alles aussortiert und in einem Schuhkarton zu meinen Eltern geschickt. Sogar neue Einlagen für die Schuhe hab ich mir gekauft. Als ob die noch irgendwie geholfen hätten. Ohne diesen Schritt mich von Sachen zu trennen, hätte ich wahrscheinlich am nächsten Tag heulend zuhause angerufen, um mich abholen zu lassen. 

Stattdessen: durchatmen, weitermachen – und plötzlich wurde es besser.


Ab hier wurde es leichter 

Mit weniger Gewicht auf dem Rücken wurde nicht nur der Körper entspannter, auch der Kopf. Ich begann, wirklich draußen anzukommen. Ich musste zwar noch den Muskelkater der ersten drei Tage verarbeiten aber es wurde von Tag zu Tag besser. Die Strecke – rund 200 km von der Wutachschlucht bis Rapperswil in die Schweiz – wurde zum Abenteuer. Und zur Erkenntnisreise.

Ich lernte: Menschen sind unglaublich hilfsbereit. Niemand hat mich abgewiesen, wenn ich nach Wasser oder einem Platz für das Zelt fragte. Ich merkte: Wenn man um Hilfe bittet, bekommt man sie meistens auch.


Fazit: Wenig Ahnung, viel Gewicht  und eine Lektion, die bleibt.

Am Anfang war’s hart. Und ehrlich gesagt: objektiv betrachtet lief vieles schief. Aber subjektiv? War’s der Anfang von etwas Großem. Diese erste Tour hat mir gezeigt, wie wichtig Leichtigkeit ist – körperlich wie mental. Und dass es sich lohnt, sich selbst ein bisschen zu überfordern. Denn am besten lernt man aus den eigenen Fehlern – auch wenn’s manchmal weh tut. Ich ging mit einem klaren Ziel nachhause, und zwar meine Ausrüstung zu optimieren.

 

Sophia Maalaoui