„Weniger ist mehr“, sagen Minimalisten.
„Weniger ist mehr Erleben", sagen Ultraleichtwanderer.
Als ich das erste Mal von diesem Trend gehört habe, dachte ich: Okay, jetzt wird’s wild. Leute, die ihre Zahnbürstenstiele absägen, um Gewicht zu sparen.
Aber je tiefer ich eingetaucht bin, desto klarer wurde mir: Ultraleicht ist keine Spinnerei sondern eine ziemlich gute Idee. Und vor allem ist es eines: eine Haltung.
Was bedeutet ultraleicht wandern – und wie viel Gewicht ist ideal?
Bevor wir philosophisch werden, ein kurzer Blick auf die nackten Zahlen – ganz ohne Druck, versprochen:
| Kategorie | Basisgewicht (ohne Essen, Wasser, Kleidung) | 
|---|---|
| Klassisch | > 9 kg | 
| Leicht | 5 – 9 kg | 
| Ultraleicht | 2,5 – 5 kg | 
| Hyperlite | < 2,5 kg | 
Das sogenannte „Basisgewicht“ umfasst alles, was du dauerhaft im Rucksack trägst: Zelt, Schlafsack, Kocher, Rucksack plus Kleinkram wie Elektronik oder Erste Hilfe. Es zählt nicht das Gewicht von Verbrauchsgegenständen wie Wasser, Essen oder Hygieneartikeln wie Duschgel dazu – die gehören zum sogenannten "Tragegewicht".
Aber hier gilt: Diese Kategorien sind kein Wettrennen. Niemand steht auf dem Trail mit einer Waage und urteilt über dich. Die Zahlen helfen nur, ein grobes Gefühl zu bekommen. Als grobe Faustregel gilt übrigens: Du solltest nicht mehr als 20–25 % deines eigenen Körpergewichts tragen. Für eine Person, die beispielsweise 70 kg wiegt, wären das maximal 14–17 kg und das ist schon ordentlich. Je leichter dein Gepäck, desto entspannter für die Gelenke und desto größer der Spaß auf deiner Tour. Diese Empfehlung wird u.a. vom Deutschen Alpenverein (DAV) sowie der National Outdoor Leadership School (NOLS) unterstützt. 
Mehr als nur Ausrüstung – eine Philosophie
Ultraleicht heißt nicht: „Ich nehme nix mit und frier mir den Hintern ab.“
Ultraleicht heißt: Ich überlege bewusst, was ich wirklich brauche.
Viele wandern mit einem Rucksack voller „Was-wäre-wenn“-Dinge. Was, wenn es schneit? Was, wenn ich spontan Lust auf ein Drei-Gänge-Menü bekomme? Was, wenn ein Waschbär meine Schuhe frisst?
Realistisch betrachtet: Meistens tritt das alles nicht ein. Stattdessen trägst du 12 kg auf dem Rücken – und benutzt nur die Hälfte. Ultraleicht ist die Gegenbewegung dazu: Weniger schleppen, mehr erleben. Kein Verzicht, sondern Fokus.
Es geht darum, nicht die komplette Outdoor-Abteilung mitzuschleppen, sondern mit einer durchdachten Auswahl unterwegs zu sein – die dich nicht ausbremst, sondern begleitet.
Ultraleicht ist nicht für alle gleich
Und jetzt kommt das, was viele am Anfang vergessen:
Ultraleicht sieht für jede*n anders aus.
Für die einen ist der Espressokocher unverzichtbar. Für die anderen reicht es zum Frühstück kalte Haferflocken mit Wasser zu essen. Manche schlafen im Tarp, andere nehmen lieber ein leichtes Zelt mit. Und alle haben recht. Denn: Deine Packliste ist dein Ding.
Es gibt keine Checkliste, die für alle passt. Du darfst ausprobieren. Und vielleicht auch mal grandios scheitern. Das gehört dazu.
Muss ich jetzt alles neu kaufen?
Kurz gesagt: Nein.
Ultraleicht beginnt nicht mit dem Kaufen, sondern mit dem Weglassen.
Klar, ultraleichte Ausrüstung ist cool. Sie wiegt wenig, packt sich klein – aber oft kostet sie auch richtig Geld. Und das muss nicht sein.
Hinterfrag lieber dein aktuelles Setup:
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Brauch ich wirklich drei Shirts?
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Warum wiegt mein Schlafsack so viel wie ein Ziegelstein?
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Gibt es Gegenstände die mehr als nur eine Funktion haben?
 
Oft reicht es, erstmal das Überflüssige wegzulassen und mit dem zu starten, was du schon hast. Du wirst überrascht sein, wie viel du reduzieren kannst, ohne auch nur einen Cent auszugeben.
Gerade am Anfang musst du nicht sofort die perfekte Ausrüstung haben – im Gegenteil. Teste dein Setup auf einer kleinen Tour, schau, was funktioniert, und was du wirklich benutzt. Wenn du dann merkst: „Hey, das macht mir Spaß, das will ich öfter machen!“, dann lohnt sich der Blick in Richtung hochwertige und funktionale Ausrüstung.
Ich empfehle immer, den Preis ins Verhältnis zur Nutzung zu setzen: Ein Zelt für 500 € klingt erst mal happig. Aber wenn du in drei Jahren 30 Nächte damit draußen verbringst, kostet dich jede Nacht "nur noch" knapp 17 €. Ganz anders sieht’s bei Sachen aus, die du dir teuer anschaffst, aber kaum nutzt – die lohnen sich dann eben nicht.
Fazit: Wenn du dich fragst, wie du mit dem ultraleicht Wandern anfangen kannst - Starte mit dem was du hast und entwickle dich mit jedem Schritt weiter.
Mein Weg zum Leichtgewicht
Meine Reise zu meiner jetzigen Ausrüstung war ein mehrjähriger Weg mit vielen Learnings. Auf der ersten Tour noch ganz naiv mit der Musikbox im Rucksack. Einige Tage später, mit schmerzenden Schultern und geschwollenen Gelenken, wurde mir klar: Vielleicht war die Musikbox im Rucksack doch nicht die beste Idee und überhaupt wäre weniger vielleicht mehr gewesen.
Denn alles, was du einpackst, muss dein Körper am Ende auch tragen. Gerade beim Ultraleicht Wandern zählt jedes Gramm. Nach und nach hab ich Dinge rausgeworfen, Gewicht eingespart, smarter gepackt. Heute bin ich bei knapp unter 5 Kilo Basisgewicht.
Fazit: Weniger schleppen, mehr erleben
Es ist eine Einladung, dich zu fragen:
Was brauche ich wirklich, um draußen glücklich zu sein?
Ob du am Ende bei 8, 6 oder 4 Kilo landest, ist egal.
Wichtig ist, dass du bewusster unterwegs bist – und dich freier fühlst.
Denn wenn der Rucksack leicht ist, hast du den Kopf frei für das, worum’s eigentlich geht: Natur, Abenteuer und diesen einen Moment, wenn du allein auf einem Hügel stehst und deinen geschmolzenen Schokoriegel isst.
